23.02.2025
Mit Beginn der„Apokries“ erwacht in Griechenland ein uraltes kulturelles Erbe zu neuem Leben. Tanzend, maskiert und von lebendigen traditionellen Rhythmen getragen, tauchen die Menschen in eine Welt ein, die gleichermaßen ausgelassen wie archaisch wirkt. Der griechische Karneval ist mehr als ein Fest – er ist ein Echo der Dionysien, jener rituellen Feierlichkeiten des Gottes Dionysos, in denen Ekstase, Verwandlung und überschäumende Lebensfreude die Hauptrolle spielten.
T(r)anzformation: Trance. Tanz. Trubel.
Schon der Name „Apokries“ – „Abkehr vom Fleisch“ – verweist auf die kommende Fastenzeit. Doch jenseits der christlichen Symbolik schwingen tiefere, ältere, ihrem Wesen nach vorchristliche Aspekte mit. In den dionysischen Festen der Antike liegen die Wurzeln jener Tradition, die sich über Jahrtausende erhalten hat: Trance, Tanz und Trubel als Tore in eine andere Welt. Die Dionysien feierten den Gott des Rausches und der Ekstase, wie auch die Anthesteria, die antiken dionysischen Fruchtbarkeitsrituale der Athener. Sie trieben mit Tanz, Spiel und Satire den Winter aus und läuteten mit närrischem Übermut den Frühling ein. Die Elemente dieser antiken Rezeptur blieben über Jahrhunderte – durch byzantinische Zeiten und osmanische Herrschaft hindurch – erhalten. Die Bräuche, die im Laufe der Jahrhunderte im weiten Spektrum zwischen Kult und Kultur antike, historische und soziokulturelle Qualitäten vereinen, sind und bleiben vielerorts lebendig.
Antike Rezeptur - regional interpretiert und frisch zubereitet.
So feiert jede Region Griechenlands Apokries auf ihre eigene Weise. In Tyrnavos improvisieren beim Burani-Fest derb-humorvolle Tänzer zu treibenden traditionellen Rhythmen. In Naoussa erheben sich die Boules und Genitsari in ihren kraftvollen Tänzen gegen die Schatten der Vergangenheit und erinnern an Freiheit und Unabhängigkeit. In Thessalien und Makedonien erklingen die blechernen Glocken der Rougatsia, maskierter Tänzer, die von Dorf zu Dorf ziehen. Und in Patras, der unbestrittenen Hochburg des griechischen Karnevals, leuchten die Straßen in einem Farbenmeer aus Paraden, Musik und ausgelassenem Tanz, nicht unähnlich dem rheinischen Straßenkarneval.
Auf den Ionischen Inseln zwischen Korfu und Zakynthos bestimmt der venezianische Einfluss die eher westlich geprägten Karnevalsfestivitäten. Auf Korfu selbst wird die „Petegoletsa“ als eine Art Straßentheater gefeiert mit prachtvollen venezianischen Kostümen und Masken, angelehnt an die Commedia del Arte.
Auf den Ägäischen Inseln bringen die Koudounati mit ihren scheppernden Glocken und stampfenden Schritten eine urtümliche Kraft zum Ausdruck – eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten, als Tanz ein magisches Ritual war, ein betörendes Spiel mit den Geistern der Natur.
Ein Fest des Lebens und der Gemeinschaft
Der griechische Karneval ist kein bloßes Spektakel. Einem Tanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart gleich, bildet er, als unerschöpfliche Hommage an Freiheit und Verwandlung, eine Brücke zwischen einst und heute. In den wilden Rhythmen, den ausdrucksstarken Bewegungen und den leuchtenden Masken lebt ein uralter Geist fort – ein Fest des Lebens und der Gemeinschaft.
UNSER PRAXIS-TIPP
Gaitanaki: Komm, tanz & spiel mit mir!
Gaitanaki (= kleines Seidenband) ist ein panhellenisches Tanzspiel mit bunten Bändern und vielerorts fester Bestandteil der Apokries. Es handelt sich dabei um einen wunderschönen Brauch, der die Dorfplätze alljährlich mit buntem Leben und ausgelassener Freude füllt. Seine Wurzeln liegen der Überlieferung nach in Kleinasien.
Das Tanzspiel symbolisiert den Kreislauf des Lebens und spiegelt die lebendigen Rhythmen der Natur im Jahreskreis. Die zwölf bunten Bänder, die an ein zentrales Rundholz, einen Tanzbaum gebunden werden, stehen für die zwölf Monate des Jahres. Sechs Tanzpaare weben, indem sie rings um den Tanzbaum herum tanzen, ein buntes Geflecht aus Bändern. Sie zelebrieren die vielen Aspekte des Lebens – ihre Freude manifestiert sich im gemeinsamen Tanz.
Tanzbeschreibung
Traditionell werden 13 Personen für das Tanzspiel benötigt. Eine Person hält den Tanzbaum in der Mitte. An diesem sind am oberen Ende zwölf bunte Seidenbänder befestigt. Jedes Band wird von jeweils einer/m Tänzer:in in beiden Händen gehalten. Die Tänzerinnen und Tänzer umkreisen tanzend den Tanzbaum. Während des Tanzes verengt sich der Kreis und die bunten Bänder legen sich in Folge der Tanzbewegung zu schönen Mustern an den Tanzbaum – ein buntes Flechtmuster entsteht. Sind die Tänzer:innen nahe an den Tanzbaum heran getanzt und die bunten Bänder weitestgehend miteinander verwoben, ändert sich die Bewegungsrichtung. Das Flechtmuster löst sich tanzenderweise allmählich wieder auf.
Gaitanaki wird in der Karnevalszeit in ganz Griechenland getanzt. Die Tanzschritte sind in der Regel abhängig von der jeweiligen lokalen Tradition und den dort vorherrschenden Schritten. Wir stellen exemplarisch jene Form vor, die wir vielerorts in der Region Thessalien vorfinden:
Traditionell 6 Tänzerinnen und 6 Tänzer, die sich zu Beginn jeweils als Tanzpaar gegenüberstehen (bei ungleicher Anzahl kann der Einfachheit halber im Wechsel mit 1 & 2 durchnummeriert werden).
Je ein Tanzpaar steht sich gegenüber und tanzt im Wechsel innen und außen aneinander vorbei (siehe Schaubild).
© Savina & Thomas Chamalidis 2025
Tänzerin Nr. 1 (rot) beginnt im Gegenuhrzeigersinn mit dem RECHTEN Fuß und tanzt zunächst INNEN (links am Partner vorbei).
Tänzer Nr. 2 (blau) beginnt im Uhrzeigersinn mit dem RECHTEN Fuß und tanzt zunächst AUSSEN (rechts an der Partnerin vorbei).
(im Syrtosrhythmus: lang, kurz, kurz)
Die Bänder werden jeweils mit beiden Händen auf Höhe des Beckens gehalten. Sobald man nach außen tanzt, hebt man das Band etwa bis auf Kopfhöhe an, damit genügend Raum entsteht, um innen hindurch zu tanzen.
Das Tanzspiel endet entweder, wenn die bunten Bänder weitestgehend miteinander verwoben und die Tänzer:innen nah an den Tanzbaum heran getanzt sind, oder aber indem durch einen angesagten Richtungswechsel das Flechtwerk tanzenderweise wieder vollständig aufgelöst wurde.
Titel
Γαϊτανάκι (Gaitanaki)
Interpret
Νίκος Τζουκόπουλος (Nikos Tzoukopoulos)
Album
Ψάχνοντας τα παλιά (Psachnontas ta palia)
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